Isabelle Maillard, geborene Lausannerin, spielt seit über 20 Jahren erfolgreich Curling, zuletzt im Team von Weltmeisterin Irene Schori. Als ausgebildete Übersetzerin (Master der Universität Genf) arbeitet sie als Übersetzerin für den ETH-Rat, unterrichtet „Französisch für Ausländer“ und übersetzt freiberuflich – unter anderem – für SWISSCURLING. Das „Hit & Roll“ sprach mit Isabelle über die Tücken der Übersetzung, die Welsche Seele und den Röstigraben im Curling.
„Hit & Roll“ (HR): Isabelle, was macht eine gute Übersetzung aus?
Isabelle Maillard (IM): Aus meiner Sicht darf eine Übersetzung eben nicht nach Übersetzung riechen. Der Ausgangstext und die Übersetzung müssen inhaltlich identisch sein und die wichtigen Nuancen sollen in die Zielsprache übertragen werden.
HR: Und wie sollen Alltagstexte – wie etwa dieser hier – behandelt werden?
IM: Also, es hilft mir grundsätzlich, wenn ich diese drei Fragen im Kopf behalte: Wer hat den Text geschrieben, für wen und aus welchem Grund? Wenn mir ein Satz nicht ganz klar ist, frage ich immer den Autor, was er damit meint. Es liegt mir am Herzen, dem Stil und den Ausführungen des Originals treu zu bleiben.
HR: Es gibt mittlerweile Übersetzungsprogramme wie „Google Translate“ oder „DeepL“. Was hältst Du davon? Reicht das nicht aus?
IM: Ja, es kann für einfache Texte ausreichen. DeepL funktioniert wirklich gut! Aber für Fachübersetzungen (zum Beispiel für rechtliche Dokumente …oder für Curling), ist das Tool leider nicht geeignet. Meistens bin ich schneller fertig, wenn ich den Text selbst übersetze statt einen durch DeepL übersetzten Text zu editieren bzw. korrigieren. Wenn sich diese Tendenz umkehrt, dann werde ich mir langsam Sorgen machen.
HR: Du musst um Deinen Job fürchten?
IM: Da, wo ich nun bin, muss ich mir – glaube ich – keine Gedanken machen… Vor allem solange DeepL „Curler“ mit „Lockenwickler“ übersetzt, oder ab und zu „Besen“ mit „Stab“ (oder „Schlagstock“)… oder wenn das Tool versucht, deutsche oder englische Familiennamen auf Französisch zusammenzubasteln. Aber mein Job wird sich in der Zukunft verändern, das scheint mir ganz klar!
HR: Wir haben die Erfahrung gemacht: Sobald die Übersetzung nicht vom Profi (resp. nicht von Dir) kam, gab es teils heftige Reaktionen aus der Westschweiz. Waren wir wirklich so schlecht oder ist Mittelmass für die welschen Leser nicht gut genug?
IM: Meiner Meinung nach waren die Texte verständlich aber bei weitem nicht perfekt. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass die Westschweizer als Minderheit blitzschnell reagieren, sobald sie „vergessen“ gehen oder sich ausgeschlossen fühlen.
HR: Wieso übersetzt nicht einfach Du immer alles für uns?
IM: Ich hatte letztes Jahr nur Zeit für ein beschränktes Pensum bei SWISSCURLING, weshalb ich mich auf die Alltagsgeschäfte der Geschäftsstelle fokussieren musste. Für das H&R gab es einfach zu viel auf einmal… Ich wäre jetzt aber wieder bereit dafür. Es ist wohl auch eine Budget-Frage.
HR: Aus Kostengründen drucken wir jetzt schon nur eine Sprach-Version, und zwar alle Artikel im Original und die Übersetzung per QR-Code. Ist das ein zumutbarer Standard – für Dich als Leserin?
IM: Ja, das gefällt mir sehr! Im Allgemeinen finde ich das neue H&R sehr attraktiv. Aus ökologischen und finanziellen Gründen frage ich mich, ob nicht alle Texte in elektronischer Form zugestellt werden sollten. Aber ich weiss, dass sehr viele Leser die gedruckte Variante bevorzugen, dieser Übergang braucht wohl noch etwas Zeit.
HR: Letztes Jahr hast Du als eine der wenigen welschen Curler in einem deutschsprachigen Team gespielt. Gibt es tatsächlich auch im Sport einen Röstigraben?
IM: Uh ja! Die Einstellungen sind in vielen Bereichen unterschiedlich… zum Beispiel für Trainings, für die Planung und das Essen, usw.
HR: Und bei der Sprache? Ist das eher ein Hindernis oder eine Herausforderung?
IM: Für mich war es besonders schwierig, nach über 24 Std. Reisezeit nach China oder Kanada trotz Müdigkeit noch Schweizerdeutsch reden zu können. 🙂 Aber sonst sehe ich die «Sprachbarriere» eher als eine Stärke! In diesem Rahmen kommt der Kommunikation noch mehr Bedeutung zu, und die Teammitglieder müssen sich jeweils für eine gewisse Einheit einsetzen. Manchmal werden im Team sogar neue teamspezifische Wörter erfunden. Und man fühlt sich schnell „bilingue“, oder sogar „trilingue“, wie Irene: „Je pense top eight isch guet!“
Ich finde übrigens, dass die Deutschschweizer meist besser Französisch sprechen als die Westschweizer Deutsch sprechen!
HR: Wir tun weiterhin unser Möglichstes, beide Sprachen zu vereinen, die Vielfalt als Einheit zu leben, versprochen. Hoffentlich in Zukunft immer mit Dir zusammen!
IM: Von mir aus: Sofort! Für das Jahrbuch hat die Zusammenarbeit ja bereits prima geklappt.
Isabelle Maillard (ganz rechts), 2019 mit dem Team des CC Limmattal beim Turniersieg an der Gord Carroll Curling Classic im kanadischen Whitby.