Mauro Gilardi, Spieler auf der Pro Golf Tour, entdeckte den Curlingsport durch einen Einsteigerkurs bei Selina Witschonke in Flims


Patrick Kindl, Kommunikation SWISSCURLING

Golf und Curling. Auf den ersten Blick könnten diese beiden Sportarten nicht unterschiedlicher sein. Auf grünem Rasen mit Ball und Schläger versus Stein und Besen auf einer Eisfläche. Schaut man aber genauer hin, lassen sich erstaunlich viele Gemeinsamkeiten und grosses Potenzial zwischen den beiden Sportarten erkennen.

Präzision ist sowohl im Curling als auch im Golf ein entscheidendes Element. Beide Sportarten erfordern eine hohe Genauigkeit bei der Ausführung der Spielzüge. Im Golf ist es die Kombination zwischen dem richtigen Schwung und dem optimalen Einsatz von Kraft, um den Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. Ob Putt oder Abschlag: Jede Schlagart erfordert die jeweilige Feinmotorik in der Bewegungsausführung. Ähnlich verlangt das Curling eine ruhige Hand, ein geschultes Auge wie auch einen kongruenten Kraftgebrauch, damit der Stein schlussendlich an der gewünschten Stelle zum Stillstand kommt. Michel Follonier, Director Services von Swiss Golf, sieht weitere Gemeinsamkeiten: «Golf ist ein Sport, bei dem man die freie Natur geniessen kann und der Entspannung und das soziale Miteinander ermöglicht. Er fördert ausserdem die Konzentration, stärkt den Körper und schont die Gelenke. Somit gibt es mehrere Ähnlichkeiten und Ergänzungen zum Curling, bei dem man sein Gleichgewicht, seine Koordination und den sozialen Aspekt eines Teams, das sich auf ein gemeinsames Ziel konzentriert, verbessern kann.»

Präzision, aber nicht nur!
«Die mentale Ausdauer ist zentral, taktisch sowie technisch muss man sich auf sich selbst und sein Team (beim Golf der Caddy) verlassen und vertrauen können. In beiden Sportarten gibt es nie oder äusserst selten die gleiche Situation zwei Mal. Man muss taktisch vorausschauend spielen und trotzdem bei jedem Schlag/Stein im Moment bleiben und Schlag für Schlag resp. Stein für Stein spielen», führt Mauro Gilardi aus. Der 23-jährige Bündner spielt seit seinem 6. Lebensjahr Golf und befindet sich gerade am Beginn seines nächsten Karriereschrittes. Zurzeit spielt er auf der Pro Golf Tour, der dritthöchsten Liga in Europa. Auch eine Stufe höher – auf der Challenge Tour – sammelte Gilardi bereits wertvolle Erfahrungen. Die Faszination fürs Curling entdeckte er durch einen Crashkurs, von keiner geringeren als Selina Witschonke.

Seit über einem Jahr sind der Golfer und die Curlerin, die neu dem Schweizer Spitzenteam von Silvana Tirinzoni angehört, ein Paar. Auf die Gemeinsamkeiten angesprochen meint die 24-jährige Sempacherin: «In beiden Sportarten ist mentale Stärke, insbesondere Nervenstärke und Konzentration über eine längere Dauer für den Erfolg essenziell. Nebst der Technik und der Taktik muss man zudem mit den sportartbedingten Gegebenheiten (Eisverhältnisse und Wetter) zurechtkommen. Letztlich spielt auch die Konstanz eine grosse Rolle.»

Mit Lewis Hamilton und Andres Ambühl im «Traumflight»
Weil sich beide Sportarten aufgrund ihrer Saisonalität ideal ergänzen, war die Neugierde gross, die Leidenschaft des anderen kennenzulernen. Zehn Mal versuchte sich Gilardi bereits auf dem Eis. «Obwohl mir Selina viele Tipps gab, gestaltete sich der Einstieg als herausfordernd. Nach einiger Zeit konnte ich aber fast nicht mehr aufhören, was prompt einen Muskelkater am nächsten Tag zur Folge hatte», meint der Churer lachend. Trotz Muskelkater ist Gilardi überzeugt: «Curling und Golf harmonieren bestens!» Nicht zuletzt auch wegen des Fähigkeitstransfers: «Die Visualisierung der zu spielenden Steine, die Abstimmung der Länge und Linie, Tempo-Einschätzungen, der Kopf sowie der Umgang mit den Gegebenheiten: All diese Qualitäten sind in beiden Aktivitäten elementar», bestätigt der Golfer.

Witschonke selbst versuchte sich bislang einige Male auf der Driving Range. «Man muss viel Geduld haben, doch wenn ein Schlag gelingt, ist die Freude darüber umso grösser.» Das nächste grosse Golf-Ziel der mehrfachen Curling SM-Medaillengewinnerin ist die erfolgreiche Absolvierung der Platzreife, um künftig gemeinsam mit Mauro auf dem Platz stehen zu können. «Das wird nochmals eine neue Herausforderung, da ich ein Gefühl für die verschiedenen Schläger und die Länge erhalten muss, ohne dabei die taktischen Situationen zu vernachlässigen», fügt Witschonke an. Und das gemeinsame Traumflight? «Mit Lewis Hamilton, Andres Ambühl und John Rahm als Caddy!»

Crans Montana – mit bestem Beispiel voran
Dass Golf und Curling sich gegenseitig gut ergänzen, haben auch einige Golf und Curling Clubs erkannt. Jährlich finden an verschiedenen Standorten Golf & Curling Turniere statt. Eines davon ist der Golf & Curling Cup in Crans Montana (VS). Pierre-Alain Beney ist Vizepräsident des CC Crans Montana und Organisator des Kombi-Turniers im Herzen der Schweizer Alpen. «Wir führen das Turnier einmal jährlich durch, dieses Jahr findet es vom 7. bis 8. Oktober 2023 statt.» Bei den Teilnehmenden geniesst es einen hohen Stellenwert: «Sie schätzen es, zu fairen Konditionen auf dem Golfplatz von Crans zu spielen – derselben Unterlage wie beim Omega European Masters», meint Beney und verrät eine weitere Besonderheit: «Fast die Hälfte unserer Mitglieder im Curling Club spielen auch Golf.» Das hilft, denn «alle Golfer müssen ein Mindesthandicap von 54 haben, um teilzunehmen.» In Bezug auf Curling sollte bei den meisten Golf & Curling Turnieren vorzugsweise ein Einsteigerkurs absolviert worden sein. Meist reichen auch Kenntnisse aus Schnupperkursen oder Plauschanlässen.

Für Beney ist aber auch klar, dass das Kombinationspotenzial der beiden Sportarten noch nicht ausgeschöpft ist. «Alle Tourismusregionen, die über einen Golfplatz, eine Eisbahn oder eine Curlinghalle verfügen, können diese beiden Sportarten geschickt miteinander verknüpfen und dadurch fördern.»

Dieser Ansicht ist auch Tom Seger, CEO von SWISSCURLING, der die Verbindungen der beiden Sportarten nochmals zusammenfasst. «Die faszinierenden Sportarten sind beides Zielsportarten. Die Elemente Sport, Spiel, Spass, Taktik, Soziales und noch vieles mehr sind sowohl beim Curling als auch beim Golfspiel wunderbar gemischt. Zudem ist für alle Breitensportler die saisonale Ergänzung perfekt. Wenn beim Golfen im Herbst das Wetter draussen nicht mehr so viel Spass macht, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um die Curlingsaison zu lancieren. Und im Frühling passt der Curling-Saisonschluss mit dem Golf-Saisonstart auch prächtig. Mein persönlicher Tipp: probiert beides zusammen mindestens eine Saison aus und ihr werdet es nicht mehr missen wollen. Wir sehen uns auf dem Golfplatz und in der Curlinghalle. Viel Spass, Guet Spiel, Guet Stei.»

Selina Witschonke, im Sommer auf der Driving Range

Selina Witschonke, im Sommer auf der Driving Range

Mauro Gilardi und Selina Witschonke, beide nationale Spitze in ihrem angestammten Sport, sind seit über einem Jahr ein Paar. «Curling und Golf harmonieren bestens» - das stimmt ganz offensichtlich!

Mauro Gilardi und Selina Witschonke, beide nationale Spitze in ihrem angestammten Sport, sind seit über einem Jahr ein Paar. «Curling und Golf harmonieren bestens» – das stimmt ganz offensichtlich!

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